Eine entscheidende Rolle für die Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterzufriedenheit spielen Einstellung und Verhalten der Führungskraft. Doch gerade hier entsteht oft ei gefährliches Dilemma für die Mitarbeiterführung. Erfahren Sie warum und wie Sie es lösen können.
Die besondere Rolle des direkten Vorgesetzten
Gerade in Zeiten von zunehmendem Burnout, Fachkräftemangel und demographischen Wandels wird wertschätzende Führung immer wichtiger. Viele Mitarbeiter fühlen sich nicht ausreichend für Ihre Arbeit anerkannt und als Mensch wertgeschätzt. In der Folge sinkt die emotionale Bindung zum Arbeitgeber. Demotivation und Unzufriedenheit steigen, Produktivität und Betriebsklima werden belastet. Gleichzeitig nimmt auch das Krankheitsrisiko zu.
Die in Unternehmen häufig anzutreffende Anerkennungs- und Wertschätzungsdürre wird durch eine Vielzahl von Studien und internen Mitarbeiterbefragungen belegt. Neben den äußeren Rahmenbedingungen spielt dafür oft eine Person eine zentrale Rolle: der direkte Vorgesetzte.
Seine soziale und emotionale Kompetenz sind wesentliche Bestimmungsfaktoren des Betriebsklimas und legen die Grundlagen für eine konstruktive betriebliche Zusammenarbeit und eine hohe Beziehungsqualität.
Diese wiederum ist vereinfacht gesprochen die Basis für die Befriedigung wesentlicher menschlicher Grundbedürfnisse. Und deren Befriedigung steigert die Zufriedenheit.
Wertschätzende Führung ist auch gesunde Führung. Und gesunde Führung bedeutet auch gesündere Mitarbeiter. Wertschätzende Führung zahlt sich also in vielerlei Hinsicht aus.
Das eigentliche Dilemma ist, dass sich viele Führungskräfte der (negativen) Wirkungen ihres Verhaltens bzw. ihres Unterlassens gar nicht bewusst sind. Typischerweise lassen sich die Einstellungen zweit Hauptkategorien zuordnen:
Die Uninteressierten
Die Uninteressierten sind und denken sehr instrumentell. Hauptsache, die Ergebnisse stimmen und der Mitarbeiter funktioniert, schließlich wird er dafür ja bezahlt. Sie denken über die Wirkung ihres Verhaltens meist gar nicht nach oder es ist ihnen schlicht egal.
Solange für sie als Chef alles „ok“ ist, muss dies logischerweise auch für die Mitarbeiter so sein. Schließlich sind sie ja „ein Team“. Solange die Führungskraft selbst nicht gelobt wird, gibt es demnach natürlich auch überhaupt keinen Anlass, jemand anderen zu loben.
Die Gutgläubigen
Die Gutgläubigen sind in Bezug auf wertschätzende Führung schon wesentlich weiter. Sie sind prinzipiell interessiert und sich der Bedeutung wertschätzender Führung durchaus bewusst. Ich persönlich glaube, dass die meisten Führungskräfte sich selbst zu dieser Kategorie zählen würden.
Sie gehen daher wirklich guten Glaubens davon aus, dass sie doch ausreichend Wertschätzung und Anerkennung geben und sind fest davon überzeugt, dass der Mitarbeiter dies auch so sieht. Nur: leider kommt die vermeintlich ausgesprochene oder gegebene Wertschätzung und Anerkennung beim Mitarbeiter als Empfänger gar nicht so an. Die Anerkennungsbilanz des Mitarbeiters bleibt weiterhin unausgeglichen. Er empfindet ein Defizit, während die Führungskraft davon ausgeht, dass alles in Ordnung ist und daher an ihrem Verhalten auch nichts ändert.
Und genau das ist die große Gefahr.
Das Ergebnis ist in beiden Fällen oft ernüchternd
Das Ergebnis in beiden Fällen ist: die Beziehungsqualität wird schleichend und zunehmend negativ belastet. Hierunter leiden dann sowohl die Unternehmenskultur und das Betriebsklima als auch die Mitarbeiterzufriedenheit und die Mitarbeiterbindung.
Jeder Mensch (Mitarbeiter) konstruiert seine eigene Realität
Und diese wird stark vereinfacht von subjektiven Wahrnehmungen geprägt, in die Erfahrungen und Befindlichkeiten hineinspielen. Mithin gibt es in der Wahrnehmung kein objektiv „richtig“ oder „falsch“.
Jeder legt seinen individuellen Wahrnehmungsfilter darüber (und dies meist unbewusst). Hieraus entstehen dann Emotionen bzw. Bedeutungen, die man etwas zumißt und in der Folge Verhalten.
Der gleiche Sachverhalt wird von zwei Personen mit hoher Wahrscheinlichkeit unterschiedlich wahrgenommen. Ob und wie etwas tatsächlich ankommt (z.B. ein Lob), bestimmt damit letztlich der Empfänger.
Was ist die Schlussfolgerung hieraus?
Nur die Führungskraft, die sich dafür interessiert, was der Mitarbeiter empfindet und welche Wahrnehmungen, Bedürfnisse bzw. Erwartungen dieser hat, hat eine Chance, die Beziehungsqualität und damit auch das Wohlbefinden des Mitarbeiters am Arbeitsplatz zu verbessern.
Die Führungskraft hingegen, die nur Ihre eigene Realität als einzige „wahre“ ansieht, stülpt damit ihre Realität (ihre „Landkarte“) über die des anderen.
Die Landkarte des anderen wird verdeckt und ignoriert. Unzufriedenheit und Demotivation sind vorprogrammiert.
Kommen wir nochmals zurück zum oben angesprochenen Dilemma:
Der „Uninteressierte“ sieht nur seine Sicht bzw. die Sicht des Mitarbeiters ist ihm egal. Aber auch der Gutgläubige stülpt in gewisser Weise seine Landkarte über die des Mitarbeiters, da er einfach davon ausgeht, dass sein Verhalten, seine Wertschätzung und Anerkennung so ankommt, wie er es beabsichtigt hat.
Somit liegt ein Ansatzpunkt für den „Gutgläubigen“ im Interesse am Feedback vom Mitarbeiters, um zu erfahren, ob das von ihm Beabsichtigte auch wirklich ankommt.
Ein Schlüssel liegt in einer gewissen Nähe zum Mitarbeiter sowie in intensiver Kommunikation, dem wechselseitigen Austausch der Erwartungen und regelmäßigem Feedback, nicht nur Top down sondern auch Bottom-Up.
Diese grundlegenden Handlungsansätze kann man noch weiter konkretisieren. Nachfolgend finden Sie 13 Tipps zur wertschätzenden Führung
Tipp #1 Ausgangspunkt ist die eigene Selbstwertschätzung
Ausgangspunkt für Wertschätzungskompetenz ist die eigene Selbstwertschätzung. Je geringer der eigene Selbstwert, umso größer ist das eigene Bedürfnis nach Anerkennung, umso geringer ist typischerweise die Bereitschaft, anderen Anerkennung zu geben. Wer sich selbst nicht wertschätzt, wird diesen negativen Maßstab auch an andere anlegen („Der soll sich nicht so anstellen“, „Ich mache das doch auch so/nicht …“).
Der erste Schritt zur wertschätzenden Führung ist somit die Auseinandersetzung mit dem eigenen Selbstwert und dessen Stärkung.
Viele, die sich ernsthaft damit beschäftigen stellen fest, dass sie ihren Selbstwert fast ausschließlich von der Anerkennung durch andere abhängig machen.
Daher sollten sie sich weitere Selbstwertquellen erschließen: nämlich die Anerkennung von sich selbst - mehr Selbstvertrauen, mehr Selbstwirksamkeitsüberzeugung. Führen Sie beispielsweise ein Erfolgsbuch, z. B.
Kleine und einfache Dinge des betrieblichen Alltags
Der Mitarbeiter muss Wertschätzung und Anerkennung tatsächlich erleben, auf seine Wahrnehmung kommt es an. Es geht also darum, Wertschätzung nicht nur zu „denken“ sondern auch praktisch zu machen.
Die Möglichkeiten der Führungskraft dazu sind einfach und vielfältig, wie folgende kleine Auswahl zeigt:
Tipp #2 - Die eigene Aufmerksamkeit lenken
Aufmerksamkeit wirkt verstärkend. Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit bewusst auch auf das Positive. Es ist wert, auch erwähnt und nicht nur stillschweigend hingenommen zu werden. Hinterfragen Sie die eigenen Erwartungshaltungen und Schubladen.
Tipp #3 - Lob auch aussprechen
Gehen Sie nicht davon aus, dass Ihr Mitarbeiter schon weiß, was Sie (Positives) über ihn denken.
Tipp #4 - Erwartungen kommunizieren
Kommunizieren Sie Ihre Erwartungen an die Mitarbeiter. Mitarbeiter, die um Anerkennung und Wertschätzung kämpfen oder per „trial-and-error“ die Erwartungen der Führungskraft herausfinden müssen, vergeuden dadurch unnötige Energie. Auch hier kann die Führungskraft viel zu einem ausgeglicheneren Energiehaushalt beitragen.
Tipp #5 - Informationen teilen
Transparenz gibt das positive Gefühl, eingebunden zu sein. Was relevant ist, bestimmt zum großen Teil auch wieder der Empfänger.
Tipp #6 - Bauen Sie Nähe auf
Je mehr Sie wissen, was der Mitarbeiter gerade macht, umso größer ist Ihre Chance, nicht nur das Ergebnis, sondern auch den Einsatz würdigen zu können und umso glaubwürdiger werden Sie. Die besten Informationen erhalten Sie nur aus erster Hand. Reden Sie mit den Mitarbeitern, nicht nur über Berufliches. Gehen Sie auf die Mitarbeiter zu. Auch eine offene Tür, durch die niemand hineinkommt, ist nutzlos.
Tipp #7 - Interesse zeigen
Wenn ihnen jemand etwas Persönliches erzählt, dann hält er es für wertvoll und dann sollte es Ihnen auch wert sein, dass Sie sich später daran erinnern und sich erkundigen oder nachfragen. Vergessen Sie nicht Ereignisse, die dem anderen wichtig sind. Das einfachste Beispiel ist der Geburtstag.
Tipp #8 - Die Beratungskompetenz des Mitarbeiters nutzen
Fragen Sie, was ihn stört, was ihm gefällt. Was braucht er, um sich wohler zu fühlen. Welche Form der Anerkennung würde ihn am meisten freuen etc. So erfahren Sie auch, ob sie „ankommt“. Und dies auch außerhalb irgendwelcher formale Mitarbeiterbefragungen.
Tipp #9 - Zeit nehmen
Zeit ist eines der höchsten Güter, die eine Führungskraft verschenken kann. Sich Zeit für den Mitarbeiter zu nehmen und ihm Zeit zu geben, sind wichtige Quellen der Wertschätzung. Gerade dann, wenn wenig Zeit ist.
Tipp #10 - Soziale Unterstützung geben
Bleiben Sie ansprechbar und geben so soziale Unterstützung.
Tipp #11 - Grüßen und Danken
Ein echter Dank wertet bereits die Aktivität und die Mühe des anderen auf. Achten Sie auf Ihr Grußverhalten und vor allem auf die Unterschiedlichkeit gegenüber bestimmten Mitarbeitern.
Tipp #12 - Zusagen einhalten
Stehen Sie zu Ihrem Wort. Wenn Sie z.B. zusagen, den Mitarbeiter zurückzurufen oder die Unterlage zu lesen, dann tun sie es auch. Und wenn doch etwas dazwischen kommt, dann informieren Sie ihn, idealerweise mit einem neuen Terminvorschlag. Für ihn ist es wichtig.
Tipp #13 - Beziehungskompetenz aufbauen
Dazu gehört z. B. der konstruktive Umgang mit Konflikten, das konstruktive Äußern von Lob oder Kritik aber auch, Kritik selbst annehmen zu können. Es hängt von Ihrer Reaktion als Führungskraft ab, ob Ihre Mitarbeiter offen bleiben.
Fazit
Wertschätzende Führung kann nicht einfach von oben angeordnet werden, denn sie erfordert eine entsprechende persönliche Grundhaltung.
Aber auf dem Weg dorthin sind eine Sensibilisierung für die positiven Wirkungen von mehr Wertschätzung und Anerkennung, das bewusstere Nachdenken über das eigene Verhalten und das bewusstere Wahrnehmen des Verhaltens und der Reaktionen anderer geeignete Ansätze.
Ansätze, die leicht und einfach umzusetzen sind. Wertschätzende Führung erscheint vielen vielleicht als zu trivial, zu weich oder als nette Spielerei. Aber die gelebte Praxis und die Erfahrung beweisen ihre enorme Wichtigkeit und Wirkung. Der Ton macht die Musik. Das „Wie“ ist oft noch viel entscheidender als das „Was“. Jede Führungskraft kann in erheblichem Umfang zur Mitarbeiterbindung und Mitarbeiterzufriedenheit beitragen und so den "hidden champion" der Führung in sich wecken.
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Wertschätzende Führung kann man lernen. Hier finden Sie praxisbewährte Seminarkonzepte.